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Centralblatt der Bauverwaltung;
23. November 1889.
Nicht minder schwierig wie die Neu-Anfertigung gestaltet sieh
auch die gute Ausbesserung alter Gobelins. Ehemals überliefs
man diese Arbeit in Rom zumeist den jüdischen Frauen und Mäd
chen im Ghetto, die noch heute im Flicken und Stopfen ungemeine
Kunstfertigkeit besitzen. Jetzt aber werden die Gobelins des Vaticans
ausschliefslich in der dort eigens hierfür eingerichteten Anstalt aus
gebessert; und in der That versteht man es daselbst ganz über-
Die vorstehenden Darstellungen dürften zur Genüge bestätigen,
in wie hohem Grade die Gobelins-Weberei zu allen Zeiten eine Kunst
gewesen ist, welche niemals allein durch sich selbst hat festen
Boden gewinnen können. Wie für jede andere Kunstthätigkeit sind
auch für sie Zeiten des Glanzes immer nur dann eingetreten, wenn
es gelang, in mächtigen und reichen Gönnern Förderer ihrer Be
strebungen zu finden. So wird es auch voraussichtlich in Zukunft
Abb. 3. Schnitt A—B.
Längenschnitt
Ansicht.
Abi».
Aufsicht.
Abb. 2. Grundrifs.
Wagerechter Schnitt»
Abb. 6.
Klappe der Entlastungsschleuse.
Entlastungsschleuse bei der Hempbrücke.
rascherde Erfolge zu erzielen. Der schadhafte Gobelins wird zuvor
ordentlich gewaschen, um allen Staub und Schmutz aus ihm zu ent
fernen. Darauf breitet man ihn wagerecht aus und heftet ihn auf
einer Leinwand fest. Ueber letztere fort werden nun an die Stelle
der zerrissenen oder gänzlich zerstörten Kettenfäden neue gleicher
Art aufgenäht und die Löcher genau in der Weise, wie man in
Deutschland die „Gobelins-Stickerei“ zu üben pflegt, geschlossen.
Praktische Erfahrung und künstlerisches Verständnis geben die
Mittel an die Hand, aus oft kaum noch bemerkbaren Spuren des
Gewebes der zerrissenen Stücke zutreffende Rückschlüsse auf die
ehemalige Zeichnung und Farbe zu machen. Die Stick-Arbeit wird
von Mädchen besorgt, denen man je nach ihrer Geschicklichkeit
90—120 Lire im Monat bezahlt. Es bedarf kaum näherer Erläute
rung, dafs auch diese Ausbesserungen ziemlich kostspielig sind. Es
mag nichts Ungewöhnliches sein, wenn für einen jener werthvollen
Teppiche des Vaticans von 15—20 qm Fläche an Ausbesserungs
geldern 9 bis 10 000 Lire aufgewendet werden.
Abb. 4. Querschnitt.
bleiben, und eine Belebung des
in Rede stehenden, stets so hoch
angesehenen Zweiges des Kunst-
Gewerbes nur zu erreichen sein,
wenn es den Staatsregierungen
oder anderen grofsen Körper
schaften möglich ist, den be
züglichen Absichten durch Ge
währung wirksamer Unter
stützung Vorschub zu leisten.
Im Interesse der Erhaltung jenes
herrlichen Schatzes von Gobelins
aus vergangener Zeit sollte man
überall auf thunlichst sorgfältige
Behandlung derselben und zeitige
Ausbesserung sehen, sobald sich
die ersten Beschädigungen an ihnen zeigen. Planmafsigc und kunst
gerechte Vornahme von solchen Erhaltungsarbeiten an den vielen in
Schlössern, Kirchen, Museen und Palästen aufbewahrten Wandteppichen
würde ausgiebige Gelegenheit zum Studium der Handhabung der
Teppich-Weberei und damit die Möglichkeit gewähren, für diese all
mählich geschickte Künstler und Arbeiter heranzubilden. Wichtig wäre
allerdings dann auch, auf die Gewinnung geeigneter Vorbilder zu sehen;
denn nicht jede Malerei erscheint für die Uebertragung auf Teppiche
brauchbar. Das Wesen der Gobelins erfordert Darstellungen, die in
grofsen Zügen mit bewegten Linien auf vornehmlich decorative Wir
kung gezeichnet sind, dabei doch feine Durchführung in der Farben
gebung 2ulassen. Vor allem müfste als Grundsatz gelten, nur wirklich
beste Vorbilder und Malereien als Vorwürfe für Gobelins zuzulassen;
und gerade in diesem Punkte befinden sich in Rom die gegenwärtig
bemerkbaren, allerdings nur recht schwachen Bestrebungen auf an
scheinend wenig günstigem Wege. Küster.
Abführung der Canalwässer der Stadt Bremen.
(Schlufs.)
In dem Abzugsgraben sind folgende Bauwerke anzulegen.
1. Eine Stauvorrichtung bei b (vgl. den Plan S. 428), um in
den Wintermonaten, während welcher Zeit die städtischen Abwässer
zur Bewässerung von Utbremen und Oberblockland dienen, den neuen
Graben abschossen zu können. Die auf 900 Mark veranschlagte Vor
richtung ist in einfachster Weise in Holz hergestellt, und die nur ein-
oder zweimal jährlich erforderliche Herstellung des Abschlusses soll
mittels Dammbalken geschehen.
2, Eine Entlastungsschleuse (Abbildung 2—6) bei b. Wie
schon vorher ängedeutet, hat diese den Zweck, bei ausnahmsweise
starken Regengüssen, die die Abführung einer grofseren Wasser
menge als 1,8 cbm in der Secunde bedingen, den neuen Abzugsgraben
zu entlasten und die Überschiefsende Wassermenge unmittelbar in
die sehr kleine Wümme abzuführen. Da dies nur selten und dann
auch nur auf kurze Zeitdauer eintreten wird, da ferner das Schmutz
wasser alsdann immer mit einer mindestens 20 mal so grofsen Menge
Niederschlagswasser verdünnt ist, so können gegen diesen Nothaus-
lafs keine wesentlichen Bedenken obwalten.
Die Entlastungsschleuse ist nach der DoelIschen Erfindung*)
und in den beweglichen Theilen ganz aus Eisen erbaut; sie ist derart
berechnet, dafs sie sich bei einem gröfseien Ueberdruck als 30 cm,
welcher unter normalen Verhältnissen einer Wassermenge von 1,8 cbm
entspricht, selbstthätig öffnet, und auch selbstthätig wieder schliefst,
sobald der Ueberdruck geringer wird als 30 cm. Der Vortheil der
gewählten Bauart gegenüber den gewöhnlichen Klappenwehren liegt
darin, dafs einmal die Drehachse über Wasser liegt, also immer zu
gänglich ist und dafs ferner durch das verschiebbare Gegengewicht
das Wehr innerhalb gewisser Grenzen in einfachster Weise für ver
schiedene Stauhöhen verwendet werden kann.
*) Vergl, die Mittheilungen im Jahrg. 1887, S. 452 d. Bl.