Nr. 4H.
Centralblatt der Bauverwaitungr.
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Gruppe vorgenommen und von der Ostseite, jener nach dem Römer
berge, die Fronten der beiden Holzhäuser, die eine mit reichem Schmuck
von Schnitzerei, die andern mit beachtenswerther Bemalung, wiederher-
gestellt Die Thatsache, dafs die drei Giebel der Steinhäuser ziemlich
gleich sind, hatte es mit sich gebracht, dafs diese stets in enger
Beziehung unter sich gedacht wurden, dafs mau trotz der verschie
denen Höhen der Stockwerke und verschiedener Fensteranlagen sie
als eine Einheit dachte, von einer „Dreigiebelfront des Römers“ sprach,
und dafs sie auch alle Schicksale der verschiedenen Wiederherstel
lungen seit lange mit einander theilten und auch jetzt gemeinsam
ausgebaut werden sollen. Ueber die Art, wie dies geschehen müsse,
bestanden im Schofse des Bau-Ausschusses, der städtischen Collegien
wie des Publicum» verschiedene Ansichten; eine Einigung war nicht
zu erwarten, und man entschlofs sich, eine Reihe von Entwürfen
anfertigen zu lassen, unter denen jede der drei Hauptrichtungen, die
sich geltend gemacht hatten, vertreten sein sollte. Die einen wollten,
unter Belastung aller wesentlichen Theile des jetzigen Zustandes, eine
Bemalung der Front im gothischen Stile, wie sie wahrscheinlich ur
sprünglich vorhanden gewesen sei, die zweiten eine solche im Stile der
Renaissance, da das Haus in der That mehrmals, freilich jedesmal ver
schieden, in dieser Weise bemalt worden war und alte Stiche mehrere
solcher Bemalungen wenigstens andeutungsweise uns erhalten haben.
Die dritte Partei — wenn dieser Ausdruck gebraucht werden darf, da
ja alle dasselbe, nämlich eine der Bedeutung der heutigen Stadt
Frankfurt entsprechende Rathhausfront haben wollen — hatte die
Herstellung einer neuen würdigen Steinarchitektur im gothischen Stile
mit möglichster Anknüpfung an die Stilrichtung des Ortes als Pro
gramm aufgestellt. Es wurden acht Künstler, sowohl Frankfurter
als auswärtige, beauftragt, deren seitherige Thätigkeit erwarten
liefs, dafs sie bestimmt unter sich ganz verschiedene Richtungen zur
Vertretung bringen würden. Jeder derselben wufste also, dafs nicht
blofs die Güte seines Entwurfes in Betracht kam, sondern dafs die
grundsätzliche Frage, welcher Richtung der Vorzug gebühre, bei
dem ganzen Verfahren in erster Linie zur Entscheidung zu kommen
habe. Man wollte keine Skizzen, man wollte fertige, brauchbare
Pläne, und so wurden jedem der Künstler die für eine Aufsen-
architektur gewifs angemessene Summe von 2500 Mark zugesagt,
die Zeichnungen jedoch im Mafsstabe 1 :30 mit den nöthigen
Frontendurchschnitten verlangt, welche vor allem zeigen sollten,
dafs die etwa beantragten Aenderungen bei keinem der drei
Häuser in das Innere eingriffen. Es war den eingeladenen
Künstlern freigestellt, sich noch je einen ergänzenden Genossen als
Mitarbeiter auszuwählen. Dagegen waren sie gebeten, die Ent
würfe ohne Namennennung einzureichen, damit die Entscheidung
unbecinflufst vom Gewichte eines Namens erfolgen solle. Ob dies
nöthig war, sei dahingestellt, da ja mindestens die hervorragendsten
Entwürfe keinen Zweifel darüber lassen konnten, wer ihre Urheber
seien. Am 5. October war die Frist zur Einreichung der Entwürfe
vorüber, und auf den 7. war ein Beurtheilüngs-Ausschufs berufen, der,
wenn er solchergestalt sehen konnte, zu welchem Erfolge eine jede
der vorbezeichneten Strömungen führen könne, falls sie durch wirklich
berufene Künstler vertreten sei, nun in erster Linie zu entscheiden hatte,
welche Richtung den Vorzug verdiene, und der, darauf fufsend, erklären
sollte, welcher der Entwürfe, deren man ja nur vorzügliche und selbst
verständlich brauchbare erwartete, zur Ausführung zu empfehlen sei.
Die Hauptschwierigkeit war also dem Beurtheilungs-Ausschusse
zur Lösung zugewiesen. Preisgericht hätte man diesen nicht genannt,
da kein Preis zu vertheilen war. Sein erstes Augenmerk hatte er
natürlich auf die Frage zu richten, wie weit überhaupt der Wunsch,
eine würdige Front zu erhalten, mit dem Rechte des geschichtlich
Gewordenen sich vertrage, dann, wie weit es angehe, die Aufgabe,
welche ja doch eine architektonische ist, der Malerei ausschliefs-
lich oder theilweise zu übertragen. Für die Mitglieder des Aus
schusses, zu welchem neben dem Hofbaudirector v. Egle in Stuttgart
und dem Geheimen Regierungsrath Professor Hase in Hannover der
Unterzeichnete berufen zu werden die Ehre hatte, war dies eine heikle
Entscheidung. Indessen hatten nicht nur die Vertreter der verschie
denen Richtungen in der Stadtverwaltung, sondern auch alle ein
geladenen Künstler diese Berufungen ohne jeden Widerspruch hin
genommen. Sie waren also alle bereit, aus unserem Munde zu
erfahren, ob und wie weit ihnen zugestimmt werden könne; sie haben
sich deshalb auch des Rechtes begeben, sich aufzulehnen, falls ihre
Auffassung nicht getheilt werden kann; denn dafs nur einer erwählt
werden konnte, lag ja von vornherein klar.
Zur Erleichterung unserer Aufgabe hatte die Stadtverwaltung
eine sorgfältige Aufnahme des ganzen Rathhauses machen und zu
gleich seine Geschichte mit Angabe aller einzelnen erfolgten Um
gestaltungen aufzeichnen lassen, die auch den Künstlern übergeben
wurden. Daraus geht hervor, dafs der heutige Bestand nur in be
schränktem Mafse eine geschichtliche Berechtigung hat, da er das
Ergebnifs einer Reihe ganz zufälliger Umgestaltungen ist, deren
jede, kurz dauernd, nur wenige Reste hinterlassen hat, dafs ferner
über die ursprüngliche Erscheinung zwar Vermuthungen erlaubt
sind, aber jeder bestimmte Anhalt fehlt, da nicht einmal die gothisch
scheinenden Fenster der eigentlichen Römerfront aus dem Mittelalter
stammen, und dafs endlich jede der späteren Erscheinungen, über
welche Anhaltspunkte vorliegen, insbesondere die späteren Bemalungen,
nur von kurzer Dauer waren, ja tbeilweise, soweit sie unmittelbar
vor einer Kaiserkrönung rasch hcrgestellt sind, nur als vorüber
gehende Festdecorationen angesehen werden können.
Als geschichtlich können nur angesehen werden*. 1) die Anlage
dreier getrennten Fronten mit ihren verschiedenen Stoekwerkshöhen;
2) die einfache Form der drei Treppengiebel; 3) etwa die unteren
Eingangsöffnungen. An diesen Elementen glaubte der Ausschufs
festhalten zu müssen. Er sträubt sich aber nicht gegen eine etwas
reichere Gestaltung der Giebel, wenn sie nur die alten, geschichtlichen,
einfachen Umrifslinien festhielte. Die Umgestaltung der Fenster,
Balcöne, Anbringung von Vordächern oder an ihrer Stelle von Erkern
und vorgebauten Lauben war vollständig frei zu geben, da die Er
scheinung der Fronten innerhalb ihrer Umrahmungen stets eine
flüssige gewesen ist. Nun haben auch fast sämtliche Künstler die
genannten, geschichtlich berechtigten Elemente beibehalten; nur ein
einziger eigentlich hat die Umrifslinie des Mittelgiebels geändert, nicht
soweit aber, dafs deshalb der Entwurf zu beanstanden gewesen wäre.
Mehrere haben versucht, die Einheit, welche man seit langem in den
drei Fronten erblickte, etwas mehr geltend zu machen, und zwar so,
dafs sie die beiden äufseren Giebel symmetrisch gestalten, soweit es
die verschiedene Breite und der Winkel zulaseen, den die erste Front
mit den beiden andern bildet. Einer zieht sogar ein breites Band
über alle drei Fronten, welches bei den beiden äufseren die Fenster
des ersten Stockes, in der Mitte aber einen Reliefschmuck enthält.
Wie mehrere andere hat er deshalb die Fenster der beiden äufseren
Fronten auf gleiche Höhe gebracht, wobei sie noch immer innerhalb
der Stockwerke liegen. Auch ein Entwurf in reicher gothischer
Malerei hat, ohwohl er fast gar keine architektonische Umgestaltung
vorschlägt, die Einheit und Symmetrie so weit als möglich herzustellen
gestrebt, während die in Renaissanceformen gehaltene Arbeit ganz ent
schieden die Selbständigkeit der drei Häuser betont.
Dies thut in architektonischer Gestaltung auch der zur Aus
führung vorgeschlagene Entwurf. Er erschien indessen nicht blofs in
dieser Richtung empfehlenswerth; denn diesen Vorzug, ebenso wie
den, dafs er eine poetische und reiche, dabei klare architektonische
Entwicklung innerhalb des mit Sorgfalt festgehaltenen Rahmens des
geschichtlich Berechtigten gab, theilt er mit anderen. Was für uns
zu seinem Gunsten entscheidend war, ist das Verhältnis zwischen
Architektur und decorativer Malerei. Wir vermochten uns ebenso
wenig zu entschliefsen, der Malerei in diesem Falle ausschliefslich
die Aufgabe zu übertragen, als wir empfehlen konnten, auf den
grofsen Reiz, den sie bietet, ganz zu verzichten. Wenn sie allein
zur Verwendung kommt, mufs sie aus der Hand eines bedeutenden
Künstlers hervorgehen, wie solche ja auch unter den Verfassern ver
treten sind. Aber jede Malerei ist vergänglich, bedarf öfterer Er
neuerung. Die Keimsche, vielleicht die haltbarste, hat, da sie zu
jung ist, noch keine Proben abgelegt. Die Erneuerung einer be
deutenden und umfangreichen Bemalung ist später aber nur möglich,
wenn ein dem ersten ebenbürtiger Künstler zur Verfügung steht,
während, wenn die Malerei bescheiden auftritt, leicht jederzeit ein
Mann gefunden werden kann, der imstande ist, sie zu erneuern. Der
zur Ausführung gewählte Entwurf hat der Architektur volle Be
deutung gelassen, sodafs diese, selbst wenn zeitweilig einmal die Er
neuerung etwas auf sich warten lassen, wenn die Malerei verblafst
und vergangen sein sollte, doch immer dem Gebäude eine gewisse
Bedeutung sichert.
Die Eröffnung des Briefumschlages ergab , wie'bereits in Nr. 41
dieses Blattes kurz mitgetheilt worden ist, als gömekxechaftUcbe
Verfasser des Entwurfes den Architekten Meckel und den Maler
F, Becker in Frankfurt am Main.
A. v. Essenwein.
Ein neues Hülfsmittel zum Studium der Kunstgeschichte.
Vor einigen Wochen hat die rührige Kunstverlagshandlung von | hervorhebt „zum ersten Male der Versuch unternommen worden
Amsier u. Ruthardt (Gebr. Meder) in Berlin unter dem Titel; „Die ! ist, die Hauptwerke der Kunstgeschichte, soweit dieselben in
Hauptwerke der Kunstgeschichte in Origiiial-Photographieen“ einen Original - Photographieen erschienen sind, wissenschaftlich ge-
Katalog (20 Bogen) herausgegeben, in welchem wie das Vorwort i ordnet zusammenzustellen“. Djeser Versuch bedarf keiner Recht-