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Centralblatt der Bauverwaltung.
28. September 1889.
Zur ersten Gruppe zählen diejenigen, auf denen sich nur
rein bildhauerische Denkmäler ohne besonderen architektonischen
Hintergrund denken lassen; es sind der Opernplatz und der Platz
auf der Ostseite der Schlofsbrüeke. Der letztere hat die wenigsten
Lösungen gefunden, genau genommen nur zwei, die Nummern 40
und 42; denn von den oben angeführten, auf diese Stelle entfallen”
den sechs Plänen kommen zwei als unzureichende, dilettantische
Arbeiten nicht in Betracht, während zwei andere, auf die wir
später noch zu sprechen kommen, von der Programmvorschrift inso
fern abweichcn, als sie das Denkmal seitlich der Schlofsbrüeke an
ordnen. Die geringe Zahl ist erklärlich. Der Platz ist der denkbar
ungünstigste. Die Standpunkte für die ruhige Betrachtung eines
Bildwerkes fehlen, dieses selbst wird an einer Stelle mitten in den
Verkehr gesetzt, wo derselbe in einem Mafse ungeregelt ist, wie an
wenigen Punkten der Stadt. Auch durch die im Entwürfe Nr. 40
( r Was sein Volk erträumt, gedacht, Kaiser Wilhelm hats vollbracht“)
geplante Regelung der Umgebung würde an der Sache nicht viel
gebessert werden. Und die Gesamtdarstellung des einen talentvollen
Bildner verrathenden Entwurfes 42 („Ohne Kaiser kein Reich“) kann
nicht davon überzeugen, dafs der Blick auf das Schlofs und in den
Lustgarten durch die Aufstellung eines Denkmals an dieser Stelle
gewinnen werde.
Wenn einer der Plätze sich für ein lediglich plastisches Werk
eignet, so ist es der Opernplatz, und er ist auch stets in erster
Linie vou denen genannt worden, die sich für ein rein persönliches
Kaiserdenkmal ausgesprochen haben» Merkwürdigerweise haben sich
für ihn aber nur zwei Bildhauer entschieden. Die meisten Lösungen
sind architektonische, und eine von überzeugender Wirkung ist nicht
unter ihnen. Der Platz ist auch zur Entwicklung eines architek
tonischen Aufbaues in keiner Weise geeignet. Verhaltnifsmäfsig
klein und mit bemerk enewerthen öffentlichen Gebäuden umgeben, die
ihm sein bestimmtes Gepräge verleihen, verträgt er weder in seiner
Mitte, noch an seiner offenen, dem „Platze am Opernhanse“ zu
gewandten Seite die Errichtung eines Bauwerkes. Ein solches würde
im ersten Falle den Eindruck des Eingeschachtelten, Eingekeilten her-
vorrufen, andernfalls die Schönheit, welche jetzt in der Verbindung des
gröfseren mit dem seitlichen, kleineren Platze liegt, zunichte machen.
Selbst durch die Einschränkung des architektonischen Hintergrundes
auf einen gedrungenen, triumphbogenartigen Nischenbau, vor den
das eine der erwähnten bildnerischen Werke, Nr. 97 („Deutsch“), sein
fein aufgefafstes Reiterbild stellt, ist die Schwierigkeit nicht gelöst.
Der Verfasser von Nr. 72 („So ist’s“) hat alles das wohl auch gefühlt
und hat kurz entschlossen das Opernhaus abgebrochen, um seiner
hinter einem sehr zersplitterten Stufenbau sich erhebenden grofsen
Architektur, der Vereinigung eines Triumphthores mit seitlichen
Säulenhallen, Raum zu schaffen.
Der zweiten Gruppe sind zwei Plätze zuzuzählen, die dazu
auffordern, das Standbild in Beziehung zu einem älteren, monumen
talen Bauwerke zu setzen, sei es mit, sei es ohne Heranziehung ver
mittelnder Architektur. Es sind die Schlofsfreiheit mit dem Königs
schlosse und der Pariser Platz mit dem Brandenburger Thore. Da
mit soll nicht gesagt sein, dafs diese Plätze nicht auch Erfindungen
gestatteten, die sie nach unserer Eintheilung in eine andere Gruppe
weisen. Man begegnet auf beiden sowohl einfachen, ohne weitere
Beziehung zu ihrer Umgebung frei auf den Platz gestellten Stand
bildern, als auch Lösungen, welche sich unter Zuhülfenahme einer
selbständigen Architektur von jenen alten Bauwerken unabhängig
machen und die gegebenen Verhältnisse umgostalten. Aber die ersteren
leiden an dem Fehler, den man so oft bei der Aufstellung neuerer
Denkmäler begegnet: sie führen zu einer übertriebenen Steige
rung des bildnerischen Werkes, oder sie verlieren sich auf dem
Platze und tragen in beiden Fällen wenig zu dessen Verschönerung
bei. Und die anderen laufen Gefahr, die Harmonie und geschicht
liche Bedeutung der gesamten alten Umgebung sowohl, wie ins
besondere des dort herrschenden Bauwerkes zn schädigen. Die
Lösungen, welche zwischen beiden Klippen glücklich hindurchschiffeo,
sind eben die der in Rede stehenden Gruppe. Gewifs kann man
auch ihnen gegenüber geltend machen, dafs sie ohne Notli in den
abgeschlossenen, ans künstlerischen oder sonstigen Gründen der Ver
änderung nicht bedürftigen Organismus der alten Stadt und der
alten Bauwerke eingreifen; aber es finden sich unter ihnen doch
Werke von so hoher Schönheit und solcher Bedeutung, dafs sie
zweifellos bei der Abwägung aller Vorzüge und Nachtheile ernstlich
in Betracht gezogen werden müssen. Es seien von denselben
gleich hier vorweg nur zwei genannt, die Entwürfe Nr. 101
(„Denn Er war unser“) für die Schlofsfreiheit und Nr. 58/94, dessen
Doppelnummer und zwei Kennworte („Welch eine Wendung durch
Gottes Fügung“ und „Salve Senex Imperator“) den nur losen Zu
sammenhang zwischen der architektonischen und bildhauerischen
Urheberschaft verrathen, für den Pariser Platz. Beide geben unter
voller Beherrschung der Schwierigkeiten maßvolle, ausführbare
Lösungen, die, wenn nicht die erwähnten und einige weiter unten
noch zu erörternde Bedenken beständen, von der Brauchbarkeit
beider Plätze ohne weiteres überzeugen könnten.
Fasson wir nach den obigen Einschränkungen die Schlofs
freiheit näher ins Auge, so erscheint es bei ihrer Wahl zunächst
selbstverständlich, dafs die der Westfront des Schlosses gegenüber
stehenden Häuser sämtlich abgebrochen werden. Die günstige Ge
legenheit, diese langersehnte Verschönerung jenes Stadttheiles mit der
Deukmalaufstellung zu erreichen, spricht an sich zweifellos für diesen
Platz. Der Raum, der mit der Niederlegung der Häuser gewonnen
wird, reicht aber für eine Denkmalanlage, wie sie hierher gehört, nicht
aus. Das Programm sieht deshalb auch Einengung des Spreebettes
vor. Von dieser Freiheit ist in bald mehr, bald minder zaghafter
Weise Gebrauch gemacht worden. Die einen erweitern das östliche
Ufer, indem sie cs nach verschiedenen Linien verändern und ver
bessern, in der Achse des Schlofsportales dergestalt, dafs das Stand
bild auf einem dem Wasserlaufe abgewonnenen Vorsprunge zu stehen
kommt und der gesamte Verkehr zwischen ihm und dem Schlosse
hiudurchgeleitet wird. Die Standpunkte für die Betrachtung des
Denkmales werden dabet sehr ungünstige. Ist das Kaiserbild dem
Schlosse zugewandt, so steht der Beschauer zu nahe und vermag in
mitten des regen Verkehrs einen Platz für die ungestörte Betrach
tung nicht zu gewinnen. Ueberdies geht die Beziehung zum Schlosse
fast verloren, da man letzteres hinter sich hat. Wird aber der Reiter
mit dem Rücken gegen das Schlofs gekehrt, so wird man ihn nur
vom westlichen Ufer aus betrachten und nicht nahe genug heran
treten können, um die Einzelheiten des Werkes, vornehmlich das
Antlitz des Kaisers, genügend genau zu erkennen. Der Hauptverkehr
wird daun an der Rückseite des Denkmales vorüberfluthen, an der
Seite, die man nach alter Bildhauerregel dem Blicke auB der Nähe
womöglich ganz entziehen soll Diese Erwägungen sind es wohl, die
eine Anzahl von Bewerbern dazu geführt haben, den Wasserlauf
vor dem SchloCspovtale in »einer ganzen Breite zu überbrücken.*)
Das Reiterbild wird dann natürlich mit dem Rücken gegen das Schlofs
zu kehren, der Haupt-Strafsenverkehr vor dem Denkmale vorbeizu
führen und dieses selbst mit dem Schlosse in enge architektonische
Verbindung zu bringen sein, wie dies in dem Entwürfe Nr. 101
in vortrefflicher Weise geschehen ist. Freilich beseitigt auch diese
Anordnung einen Mangel nicht, den sie mit den zuvor berührten
Lösungen gemeinsam hat und der bei ihr sogar noch schärfer hervor
tritt. Das sind die ungünstigen Beziehungen der sieh nunmehr weiter
ausbreitenden Denkmalanlage zu den vor und neben ihr liegenden
Baulichkeiten, Strafsenzügen usw. Die Schlofsportalaehse trifft die
Bauakademie in einem schiefen Winkel und in einem Abstande von etwa
110 m von der Schlofsfront. Ein günstiger Blick aus größerer Entfer
nung auf das Denkmal mit seinem gewaltigen Hintergründe würde sich
nur mittels einer Durchlegung der Behreustrafse bis zum Schinkelplatz
erzielen lassen, wobei die erstere von der Hedwigskirche ab leicht
gekrümmt oder etwas nach Norden, vielleicht bis in die südliche
Opernhausflucht, verschoben werden müfste. Fiir die Betrachtung vom
Zeughausc her aber würden Schlofsfront und Denkmalanlage wohl
schon zu weit auseinanderrücken, sich zu sehr von der Seite zeigen.
Diese Uebelstände haben denn auch mehrere Verfasser dazu ver-
anlafst, die unmittelbare Beziehung zum Schlosse aufzugeben und
unter Beseitigung der benachbarten Baulichkeiten einen Platz zu
schaffen, der sich in seiner Hauptausdehnung vor der Westfront de»
Schlosses vom Lustgarten nach dem Sehlofsplatze hin erstreckt und
in dessen Längsachse dann das Denkmal vor eine neue bauliche An
lage gestellt wird. Wir haben diese Lösungen jedoch der nächsten
Gruppe zugewiesen und kommen deshalb später auf sie zurück.
Zunächst wenden wir uns dem zweiten der vorläufig in Betracht
kommenden Plätze, dem Pariserplatze zu. Fast allen Entwürfen,
welche hier das Denkmal in engere Beziehung zum Brandenburger
Thore setzen, ist gemeinsam, dafs sie das Thor freilegen. Es ist
das durchaus erklärlich. Das Thor wird zum Hintergründe des Deuk-
inales gemacht und verliert dadurch, dafs dieses ihm thunliclist
nahe gerückt wird, an seiner ursprünglichen Zweckbestimmung, dem
Verkehre zu dienen. Für diesen mufs nunmehr seitlich Raum ge
schaffen werden, und dies geschieht entweder durch Beseitigung der
beiden die Westseite des Platzes abschließenden Privatgebäude, der
sogenannten Sommerhäuser, oder dadurch, dafs man das Thor über
dies auch seiner seitlichen Anbauten, der Wachgebäude und der
niedrigen Strackseben Säulenhallen beraubt. So wenig man sich der
Zweckmäfsigkeit der ersteren, übrigens ziemlich eimnüthig von den
*) Nur von einer Ueberbrückutig kann die Rede »ein, denn an
eine Zuselüittung, für welche hier und da das Wort ergriffen worden,
ist selbstverständlich nicht zu denken. Die erstere aber wird nur
angängig sein, wenn die für die Schiffahrt erforderliche Weite und
lichte Höhe über dem Wasserspiegel erzielt werden und man dafür sorgt,
dafs die jetzt auf das Gerinne an den ehemaligen Werderschen Mühlen
entfallenden AYaseermengen nach wie vor abgefuhrt werden können.