236
6* Mi 1889.
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
der technischen Kreise und des Publicume erhalten hat, beweist die
Thatsache, dafs in Breslau, nachdem das Holzcement-Dach im Jahre
1861 polizeilich als feuersicher anerkannt worden, seither zwei Drittel
aller neu aufgeführten Privatgebäude mit solchen Dächern versehen
worden sind. Inzwischen hat die Holzcement-Bedachung auch in den
übrigen Laudestheilen mit Ausnahme der westlichen Provinzen mehr
und mehr Eingang gefunden, und in vielen Regierungsbezirken ist
eine merkliche Zunahme ihrer Anwendung namentlich in den grüfseren
Städten zu verzeichnen.
Ueber die zweckmäfsigste Herstellungsweise und die Vor
bedingungen, welche erfüllt sein müssen, um einem HoJzccinent-Dache
dauernde Bewährung zu sichern, herrscht in allen wesentlichen
Punkten Uebereinstimmung. Das Dachgebälk und seine Unter
stützung mufs in sich vollkommen fest und steif sein, sodafs Be
wegungen und Versackungen nicht eintreten können. Die Dach-
ncigung soll etwa Vso betragen und die Schalung aus gespundeten,
mindestens 3 cm starken, höchstens 20 cm breiten, gut ausgetrockneten
Brettern bestehen. Der Raum unteT dem Dache mufs trocken er
halten und gut gelüftet werden, damit die Schalung und die Sparren
picht von unten stocken können. Zum Ausgleich der Unebenheiten
der Schalung und um die Bewegung der einzelnen Bretter unschäd
lich zu machen, soll zunächst eine dünne Schicht feinen trocknen
Sandes oder eine Lage Dachpappe, und erst auf diese die erste
Papieriage aufgebracht werden. Die Papierlagen sollen mindestens
dreifach, besser aber vierfach, der zum Aufkleben und Ueberstreichen
verwendete Holzcement von bester Beschaffenheit sein. Die Arbeit
darf nur von geübten Leuten und bei trockenem, windstillem Wetter
vorgenommen werden.
Ueber die Frage, ob als Zwischenlage auf der Schalung eine
Sandschicht oder Dachpappe vorzuziehen ist, sind die Anschauungen
verschieden. In Schlesien hält man die Sandschicht für zweckuiäfsiger,
weil bei Verwendung von Pappe die Unebenheiten deT Ueberdeckungen
eine glatte Lagerung der Papierschichten verhindern. Die Papp-
Unterlage wird dort nur als ein Nothbehelf angesehen, wenn die
Ungunst der Witterung der gewöhnlichen Eindockung auf einer
Sandsehicht entgegensteht. Von anderer Seite wird aber gerade ein
Vorzug der Papp-Unterlage darin gesehen, dafs schnell eine vor
läufige nothdürftige Bedachung gewonnen wird, um für die nur bei
trockenem Wetter mit günstigem Erfolge herzustellende Eindeckung
der Papierlagen die geeignete Zeit abwarten zu können. Zugleich
aber wird auch die zähe Pappe dem Werfen der gespundeten Schal
bretter sicherer widerstehen. Und wenn einige befürchten, dafs durch
die Nägel, mit welchen die Dachpappe befestigt wird, die Papier-
lagen durcbgescheuert werden, so ist demgegenüber hervorzuheben,
dafs die letzteren ohne den Schutz der Pappe im Falle des Schwindens
und Aufkantens der Schalbretter doch noch leichter angegriffen
werden.
Ueber die oberste, mit einem dicken Anstrich von Holzcement zu
versehende Papierlage wird feiner Sand gesiebt und dann Kies auf
gebracht. Die Kiesdecke erhält in der Regel eine Stärke von 8 bis 10 cm.
Gut bewährt hat sich die Verwendung reinen Kieses als Unterlage
und einer Mischung von Kies mit Lehm oder Strafsenschlick über
derselben zur Befestigung des Kieses gegen Abspülen. Im Lauf der
Jahre pfiegt auf der Oberfläche eine Moogbildung einzutreten, welche
für die Erhaltung der Dächer förderlich ist, weil die Deckung da
durch mäfsig feucht erhalten und vor der Einwirkung der Sonnen
strahlen geschützt wird, sodafs auch bei anhaltender Hitze ein Flüssig
worden der Holzcemcntmasse nicht eintreten kann. In einzelnen
Fällen hat man auf die Kiesdecke auch wohl Mutterboden aufge
bracht und diesen mit Gras besät, ein Verfahren, welches sich
namentlich bei Bauten an der See und überall da empfiehlt, wo die
Dächer starken Stürmen ausgesetzt sind. So ist beispielsweise das
Nebelsignalgebäudo bei dem Leuchtfeuer Marienleuehte auf der
Insel Fehmarn im Jahre 1878 derart eingedeckt worden, und zwar
verwandte man dort 5 Lagen Papier mit Holzcementstrich, eine Kies
decke von 10 cm Stärke und darüber eine 5 cm starke Mutterboden-
schicht, welche mit Gras besät wurde. Dieses Dach hat sich seither
tadellos bewährt. Ebenso erwies sich beim Nebclstations-Gebäude
in Arcona eine nachträgliche Befestigung des Kiesbelages mit einer
Rasendecke als zuverlässiges Mittel gegen die früher wiederholt ein
getretene Entblöfsung der Papierlagen. Diesem Vortheil gegenüber
erscheint das Bedenken, dafs eine starke Grasnarbe den Abflufs des
Regenwassers allzusehr behindere, kaum von Belang.
Anfänglich ist vielfach der Fehler gemacht worden, dafs die
Kiesleisten aus Holz hergestellt wurden. Naturgemäfs wurde das
Holz unter dem Wechsel von Nässe und Trockenheit sehr bald zer
stört, sodafs die Kiesdecke abrutschen mufstc. Auch wurden die
Enden der Papierlagcn durch die Nagelung der Holzleiste von vorn
herein beschädigt. Jetzt, werden deshalb die Kiesleisten nur noch aus
starkem Zinkblech hcrgestellt (Abb. 1). Die Arbeiten des Klempners
sind von grofser Bedeutung für das Gelingen der Holzeement-Ein-
deckung. Beim Anbringeu der Rinnen und der Einfassung von Bau-
theileD, welche die Dachfläche durchbrechen, wie bei Schornsteinen und
Oberlichtern sowie bei den Anschlüssen der Dachfläche an Giebel
mauern, ist die gröfste Vorsicht geboten und besonders Sorge dafür zu
tragen, dafs das Zinkblech sich frei bewegen kann. Wenn die Zink-
aufkantungen mit den wagerechten Lappen auf die Schalung fest
genagelt werden, so genügt eine geringe Senkung des Daches, um
Risse an den Löthstellen und Brüche an den Biegungen des Zinkes
herbeizuführen. Es ist auch mehrfach beobachtet worden, dafs die
auf die wagerechten Lappen der Zinkaufkantungen aufgeklebten
Papiorlagen nicht ganz dicht scldossen, vermuthlich, weil das Zink
blech nafs geworden war, sodafs das
Wasser zwischen Zink und Holzcement
eindviugen konnte. Als ein zweckmäfsiges
Mittel, diesen UebelstÖDden zu begegnen,
erscheint das neuerdings von der Mini-
sterial - Baucommission in Berlin em
pfohlene Verfahren, die Lappen der Zink-
aufikantung nicht auf die Schalung auf
zunageln, sondern, wie in nebenstehender
Abbildung 2 angedeutet, in den Ecken
der Maueranschlüsse eine Dreikantleiste
anzubringen und das Zinkblech ohne
Befestigung auf der Schalung mit genügendem Ueberstand frei über
die Papierlagen fortreichen zu lassen.
Undichtigkeiten an Holzcement-Dächern waren, abgesehen von
vereinzelten Fällen, in denen die Eindeckung an sich regelwidrig,
von ungeübten Arbeitern oder unter Verwendung geringwertiger
Baustoffe erfolgte, vorzugsweise auf folgende Ursachen zurück
zuführen. Entweder war der Dachstuhl nicht stark und fest genug
gezimmert, oder die Schalbretter warfen sich, sodafs Bewegungen
eintraten, bei denen die Papiorlagen reifsen mufsten, oder es war
versäumt, für eine genügende Lüftung des Hohlraumes unter der
Schalung Sorge zu tragen, sodafs diese und die Sparren zu stocken
und zu faulen begannen. Letzteres ist häufig dann eingetreten, wenn
unmittelbar unter den Sparren eine verschalte und mit Mörtel ver
putzte Decke angebracht wurde. Es ist ferner beobachtet worden,
dafs Holzwürmer die Schalung und die Papierlagen durchbohrt haben,
auch dafs durch Nägel, welche unvorsichtigerweise von unten her
in die Schalung eingcschlagen wurden, die Holzcement-Haut beschädigt
wurde. Nicht selten ist es auch versäumt worden, wenn einmal durch
Sturm oder Gewitterregen die Kiesdecke angegriffen war, die Ober
fläche rechtzeitig wieder einzuebnen, sodafs dann an einzelnen Stellen
die Papierlagen allmählich ganz blofsgelegt wurden. Weitaus am
häufigsten aber haben sich Lecketelleh da gezeigt, wo aus den oben
erwähnten Ursachen die Zinkeindeckung schadhaft wurde, Nach
theilig haben eich auch eiserne, durch das Dach geführte ßauch-
oder Dunstrohre insofern erwiesen, als sic Rost bildeten und dadurch
die Anschlüsse undicht machten. In solchen Fällen gewährt Kupfer
blech eine gröfsere Sicherheit.
Wenn auch der Ursprung eines Schadens an der Dachfläche
nicht immer leicht zu entdecken war, so ist doch die Ausbesserung