Themen Bibliotheken
504 Bibliotheksdienst 46. Jg. (2012), H. 6
de. Bis heute ist es aber nicht gelungen, diese Systeme zu decodieren. Möglich
werden kann das erst durch die Analyse sehr großer Mengen von Provenienzein-
trägen und Buchmarkierungen. Eben dasselbe gilt für die Ermittlung derjenigen
Bibliotheken, deren Fremdsignaturen wir in unseren Beständen finden.
In all unseren so verschiedenartigen Rechercheprojekten sind Recherchen durch-
geführt worden, zu Opfern, Tätern, Institutionen, aber auch zu Personen, die sich
schließlich als unverdächtig erwiesen haben, die ihre Bibliotheken ohne jeden
Verfolgungsdruck veräußert haben. Wenn wir diese Ergebnisse zusammentragen
würden, hätten wir auf Anhieb einen gewaltigen Grundstock von Personendaten
und Bilddateien beisammen, der die Arbeit innerhalb weniger Wochen um Jahr-
zehnte voranbringen würde.
In der Kybernetik versteht man das Internet und seine Informationsinfrastruk-
tur als einen Superorganismus, der dem Aggregieren menschlicher Intelligenz
dient; hier können auch die denkbar komplexesten Informationen sehr schnell
strukturiert, koordiniert und summiert werden; die kollektive Intelligenz und das
kollektive Wissen sind dem Individuum oftmals um ein Vielfaches überlegen. Am
Wikipedia-Artikel „Kybernetik“ zum Beispiel haben allein seit November 2010 vier-
unddreißig Fachleute mitgeschrieben. Und mit vierunddreißig Fachleuten, die an
einem Strang zögen, ließen sich schließlich vielleicht auch die Rechtsnachfolger/
-innen von Reisel Horowitz ermitteln.
Aber die verschiedenen virtuellen Sackkarren, die wir in unserer Provenienz-
forschung Queequeg 1.0 verwenden, sind noch nicht einmal miteinander kom-
patibel. Sie sind auf differenten Datenbank-Architekturen und nicht miteinander
harmonierenden Betriebssystemen aufgebaut. Erneut winkt man uns aus Babylon
zu – während wir alle nebeneinander herlaufen, jeder von uns mit seinem Seesack
und einer Sackkarre auf den Schultern. Ich auch!
Zur Erleichterung von Transportarbeiten größeren Ausmaßes hat man vor ein paar
Jahrtausenden schon Rad und Wagen erfunden. Das Prinzip hat sich bewährt.
Mit Verlaub: Wäre es nicht langsam an der Zeit, aus dieser Tatsache zu lernen?