Recht Themen
Bibliotheksdienst 45. Jg. (2011), H. 3/4 327
Zumindest im Hinblick auf die verwaisten bzw. nicht mehr verlegten, urheberrechtlich
aber noch geschützten kulturellen Äußerungen, bei denen eine vertragliche Lösung
praktisch ausgeschlossen ist, ist eine solche Schrankenregelung zu schaffen.
Die geplante gesetzliche Änderung des UrhWahrnG schafft nur eine Lösung für
die Zugänglichmachung von schon im Bestand befindlichen verwaisten und nicht
mehr verlegten, aber noch urheberrechtlich geschützten Werken. Fragen der Be-
standserhaltung löst sie nicht.
2. Fazit
Die Gedächtnisinstitutionen können ihren gesetzlichen Aufgaben im digitalen
Umfeld nur eingeschränkt nachkommen. Eine effektive und umfassende digitale
Langzeitarchivierung ist ihnen rechtlich nicht möglich. Es droht eine digitale Amne-
sie des Kulturellen Gedächtnisses.
Die Schaffung von verbesserten Vermittlungsmöglichkeiten im digitalen Umfeld,
durch Schaffung entsprechender Schrankenbestimmungen vom Recht der öf-
fentlichen Zugänglichmachung bzw. durch Erweiterung kollektiver Lizenzen im
UrhrWahrnG, löst dieses Problem nicht.
Dauerhaft und zuverlässig lässt sich nur das vermitteln (wie auch immer diese
Vermittlung ausgestaltet ist), was zunächst von Gedächtnisinstitutionen in den
Bestand aufgenommen worden ist und in diesem dauerhaft und zuverlässig er-
halten wird. Um das im Hinblick auf digital aufgezeichnete und digital kommu-
nizierbare kulturelle Äußerungen, sogenannte unkörperliche Medienwerke, zu
gewährleisten, ist die Schaffung von Schrankenbestimmungen im UrhG erforderlich,
welche die digitale Langzeitarchivierung auch über rein vervielfältigende Maßnah-
men zur Erhaltung des eigenen schon vorhandenen Bestandes hinaus privilegieren
und auch bearbeitende und umgestaltende Bestandserhaltungsmaßnahmen sowie
Bestandsaufbaumaßnahmen erfassen. Überdies ist für den Bestandsaufbau er-
haltungswürdiger, über das Internet frei kommunizierter kultureller Äußerun-
gen als Spiegel der Zeit dieses Mediums das Web-Harvesting für bestimmte, das
Kulturelle Gedächtnis maßgeblich tragende Gedächtnisinstitutionen (z.B. die auf
der Grundlage des Pflichtexemplarrechts agierenden Bibliotheken oder auf der
Grundlage von Archivgesetzen agierenden Archive) zu ermöglichen. Von Schran-
kenbestimmungen im Hinblick auf Bestandserhaltungsmaßnahmen, die über
reine Vervielfältigungsmaßnahmen hinausgehen, müssen darüber hinaus auch
andere, das Kulturelle Gedächtnis mittragende Gedächtnisinstitutionen profitie-
ren, soll es einen zu vermittelnden Bestand digitaler kultureller Inhalte überhaupt
langfristig geben!
Die spezifischen Bedürfnisse der digitalen Langzeitarchivierung müssen im Urhe-
berrechtsgesetz im Zuge des 3. Korbes geregelt werden. Eine unzureichende bzw.