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Bibliotheksdienst 44. Jg. (2010), H. 7 677
Seit dem späten 19. Jahrhundert profitierte das MNHN von den Aktivitäten der Re-
gierung im expandierenden Kolonialreich Frankreichs, insbesondere in Afrika, In-
dochina und Ozeanien, und ein konstanter Strom neuer Objekte bereicherte den
Fundus des “Jardin“. Nach dem Ersten Weltkrieg setzte zudem eine institutionelle
Expansion in die Regionen Frankreichs ein, wo neue Forschungsschwerpunkte
angesiedelt wurden (z.B. Meeresbiologie, Höhlenforschung, Entomologie). 1934
wurde dem MNHN sogar der Zoologische Park in Vincennes angegliedert und ein
Jahr später die Abteilung Vor- und Frühgeschichte, die seit 1937 im Trocadéro als
„Musée de l’Homme“ installiert ist. Heute beschäftigt das MNHN rund 1.800 Mit-
arbeiter (in der Mehrzahl Wissenschaftler und Techniker) und unterhält drei Ein-
richtungen in Paris und zehn in anderen Landesteilen. Die riesigen Sammlungen –
die Zahl der Objekte wird mit ca. 62 Millionen beziffert – werden aber weitgehend
in Paris verwahrt. Rund zwei Millionen Besucher strömen jedes Jahr in die vom
MNHN verwalteten Gärten, Zoos und Museen, die meisten zieht es in den „Jardin
des Plantes“.
Die Bibliothek
Bereits im 17. Jahrhundert verwahrte man im „Jardin Royal“ einige Bücher, aber
die wenigen Bände konnten kaum eine Kollektion genannt werden. Eine willkom-
mene Ergänzung war dann sicherlich die 36-bändige Ausgabe der „Histoire Natu-
relle“ des Grafen Buffon, die ab 1749 erschien und sich großer Popularität erfreute.
Die Grundlagen für den Aufbau einer veritablen Bibliothek schuf aber erst das
Dekret des Revolutionsjahres 1793, mit dem die Büchersammlung eine erhebliche
Erweiterung erfuhr. Aus der ehemals königlichen Bibliothek erhielt das „Muséum“
alle naturgeschichtlichen Dubletten überstellt, zudem zahlreiche Bände aus den
konfiszierten Beständen der Pariser Abteien und Klöster sowie der Emigranten.
Und im Verlauf der Revolutionskriege, als französische Truppen die Nachbarländer
besetzten, nahm man gern die Gelegenheit wahr, dort in namhaften Kollektio-
nen wichtige Titel oder ganze Sammlungen für Frankreich zu „nationalisieren“. Als
1823 erstmals ein Katalog der Bibliothek des MNHN erstellt wurde, listete dieser
rund 15.000 Bände auf.
In den Revolutionsjahren gelangte auch die größte Kostbarkeit in die Obhut der
Bibliothek: die „Vélins du Muséum“, farbige Zeichnungen von Pflanzen und Tieren
auf feinstem Pergamentpapier. In Auftrag gegeben hatte die Kollektion 1631 der
Herzog von Orléans, ein Bruder König Ludwigs XIII., der die renommiertesten Ma-
ler seiner Zeit beschäftigte. Nach dem Tod des Herzogs wurden die Blätter 1717
in der königlichen Bibliothek deponiert und das Projekt fortgesetzt. 1793 gelang-
ten das Konvolut dann ins „Muséum“, das gleichfalls talentierte Maler beauftrag-
te. Aber als um 1850 die Fotografie Verbreitung fand und auch für Naturstudien
eingesetzt wurde, erlosch das Interesse an der Fortführung der Sammlung. Erst