Erschließung Themen
Bibliotheksdienst 44. Jg. (2010), H. 1 27
In eine ähnliche Richtung ging Dan Brickley in seinem Eröffnungsvortrag für den
zweiten Tag der Konferenz: „Open Web Standards and Classification: Foundations
for a Hybrid Approach“. Dan Brickley ist bekannt für seine Arbeit mit Web-Stan-
dards in der W3C Gemeinschaft.
Damit das Web funktioniert und man dort relevante Information finden kann,
müssen wir gemeinsam die fehlende Verbindung zwischen den Technikern und
den Informationswissenschaftlern (wie Bibliothekaren und anderen Experten für
Wissensorganisation) herstellen, so sein Grundtenor. Denn ein Grundproblem der
aktuellen Entwicklung ist, dass die jungen Entwickler gerade versuchen, das Rad
der Wissensorganisation neu zu erfinden, weil die alten Modelle und Systeme
nicht frei im Web verfügbar sind und deshalb für die heutigen Web-Entwickler
größtenteils unsichtbar bleiben. Dan Brickley hat dafür einen radikalen Lösungs-
vorschlag: „Stellt die bekannten Wissensorganisationssysteme frei im Web zur
Verfügung und verwendet dabei die anerkannten Standards, damit jeder diese
finden, verwenden und verbessern kann. Dann können wir die junge Generation
von Entwicklern und Usability-Ingenieuren mit ins Boot holen und ihnen helfen,
neue Applikationen und Oberflächen für Klassifikation und Retrieval zu bauen.“
Während die Ideen für Zusammenarbeit mit der technischen Community zu allge-
meinem Kopfnicken führten, löste Dan Brickleys Forderung über die Freigabe der
Wissensorganisationssysteme („The license thing has to stop!“) eine heftige De-
batte über Geschäftsmodelle aus. Denn natürlich stellt sich die Grundfrage, wer
dann für die Arbeit bezahlen werde. Für die KOS, die von öffentlich-rechtlichen
Einrichtungen gepflegt werden, konnte man sich einigen, dass der Steuerzahler
schon einmal dafür bezahlt hat und diese Daten deswegen frei zugänglich sein
sollten. Es gibt aber eine Reihe kleinerer und mittlerer Firmen, die sich darauf spe-
zialisiert haben, Wissensorganisationssysteme für bestimmte Domänen zu erstel-
len, zu pflegen und die letztendlich von den Lizenzgebühren leben; diese müss-
ten sich dann ein komplett neues Geschäftsmodell überlegen. Die NY Times hat
z.B. ihre interne Klassifikation für Nachrichten und anderes Pressematerial im Web
veröffentlicht und lädt andere ein, darauf zu verlinken und die Daten wiederzuver-
wenden. Letztendlich steht aber die Idee dahinter, dadurch die Benutzer auf ihre
Webseite zu bringen und somit mehr Traffic zu bekommen. Dies soll zu höheren
Einnahmen durch Werbung oder Premium Content führen, was für die „reinen“
KOS-Firmen keine Alternative ist.
So wie Dagobert Soergel in seinem Eröffnungsvortrag darauf hinwies, die vom
Web ermöglichten neuen Kooperationsmodelle zu nutzen, schlug Dan Brickley als
Strategie vor: „Let’s share what we know“.
Die erste Vortragsreihe beschäftigte sich mit dem Klassifizieren von Webressour-
cen. Anders Ardö aus Schweden beleuchtete das automatische Klassifizieren im
Hinblick auf die riesigen Daten- bzw. Dokumentmengen im Web und hinsichtlich