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Bibliotheksdienst 44. Jg. (2010), H. 12 1119
heterogen. Tradierte Differenzen würden hier, wie auch in anderen Bereichen (pri-
vat/öffentlich, Autor/Leser) aufgehoben. Für die Philosophie sieht Münker mit der
Digitalisierung jedoch kaum neue Anwendungskontexte gegeben, da in dieser
Disziplin nur wenige Felder existierten, in denen sich berechenbare Phänome-
ne fänden. Daher sei eine Digitalisierung oder Automatisierung der Philosophie
grundsätzlich nicht denkbar.
Den Schlussvortrag hielt der Hamburger Medienphilosoph Mike Sandbothe unter
dem Titel „Von der Internetkultur zu einem neuen Körperbewusstsein“. Sich in der
Tradition des amerikanischen Pragmatismus verortend ging er der Frage nach
dem gesellschaftlichen Nutzen der Digitalisierung nach. Dabei kam er zu der Fest-
stellung, dass die Digitalisierung neben vielen Vorteilen auch entscheidende Ge-
fahren für die Nutzer mit sich bringe, vor allem durch die drastische Überforde-
rung bei der Verarbeitung immer schneller wachsender Informationsmengen im
Netz. Angesichts der zunehmend stärker spürbaren gesundheitlichen Folgen der
digitalen Medienrevolution8 sieht Sandbothe in der Reintegration des Körpers als
„Metamedium“ das zentrale Thema der kommenden Medienrevolution.
Das breite Spektrum und die Perspektivenvielfalt der Vorträge wie auch die Leb-
haftigkeit der Diskussionen im Rahmen dieser Tagung zeigten, dass die Buchwis-
senschaft auch im digitalen Zeitalter höchst lebendig ist. Sie verfolgt die aktuel-
len Diskurse zur globalen Entwicklung der Medienlandschaft nicht nur mit großer
Aufmerksamkeit, sondern gestaltet diese Entwicklung selbst aktiv mit. Im Wissen
um die Tradition begegnet sie dem Neuen offen und zugleich mit kritisch-ana-
lytischem Blick. Die moderne Buchwissenschaft ist aufgeschlossen für die neuen
mit der Digitalisierung gegebenen Methoden und Möglichkeiten und bewahrt
gleichzeitig professionelle Distanz zu landläufigen Medienhypes und Moden.
Diese komplexe und vielschichtige Sicht auf die vielfältigen Aspekte der Digita-
lisierung konsequent durchzuhalten und sie nicht vereinfachend entweder in die
eine oder in die andere Richtung aufzulösen, zeichnete die diesjährige Tagung der
Internationalen Buchwissenschaftlichen Gesellschaft insbesondere aus.
8 Vgl. z.B. Miriam Meckel: Brief an mein Leben: Erfahrungen mit einem Burnout. Rowohlt
Verlag, Reinbek bei Hamburg 2010.