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978 Bibliotheksdienst 41. Jg. (2007), H. 9/10
Neben diesen technischen und architektonischen Auswirkungen des Umzugs auf
die Arbeit der Nationalbibliothek beeinflusst die dabei angewandte Logistik den
Betrieb bis heute. Um den Umzug so schnell und rationell wie möglich durchzu-
führen, wurden bibliothekarisch unerfahrene Soldaten für das Ausräumen, den
transport und das erneute einstellen der Bestände eingesetzt. Dies hat besonders
im Bereich der Zeitungen zur fast vollständigen Auflösung der früheren systema-
tischen Aufstellung geführt, die wegen der großen Zahl von Bestandseinheiten in
einigen Bereichen bis heute nicht wieder hergestellt werden konnte.
Da das in der Nationalbibliothek eingehende Material seit ihrer Gründung nicht
einheitlich inventarisiert wurde und zur bibliografischen Verzeichnung im Laufe
der Zeit über 70 verschiedene Zettelkataloge und Datenbanken angelegt wurden,
lassen sich nur schwer konkrete Angaben über den quantitativen Umfang der Be-
stände machen. Seit ende Juli 2006 weiß man, dass der Monografienbestand eine
Größenordnung von 750.000 Bänden hat. Dazu waren im Vorfeld in einem 15 Mo-
nate dauernden Projekt die Monografien erneut inventarisiert worden. Die dabei
entstandenen Datensätze stehen in einer auf der von der UNeSCo bereitgestell-
ten Software Micro CDS/ISIS basierenden Datenbank nun auch als einheitlicher
oPAC für die Monografien den Benutzern zur Verfügung.3
Für die anderen Bestandsgruppen sind ähnliche Projekte vorgesehen und teilwei-
se auch schon konkret in Angriff genommen worden. So hat man im August 2006
begonnen, die überwiegend ungeordneten, ungebundenen und nur in Bündeln
gelagerten Zeitungsbestände mithilfe von studentischen hilfskräften nach titeln
und erscheinungsorten zu sortieren, um sie dann einer inventarisierung zuzufüh-
3 in diesem Projekt haben 25 studentische hilfskräfte in drei Schichten in der Zeit von
9.00 Uhr bis 22.00 Uhr ca. 4.500 Bände am tag bearbeitet und in einem auf 19 Felder
reduzierten MARC-Format kurzkatalogisiert. – Die Art, wie dieses Projekt voran-
getrieben wurde, war zwar inhaltlich erfolgreich, führte jedoch zu heftigen arbeits-
und tarifrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Stammpersonal und der
Bibliotheksführung, da sich die Bibliotheksmitarbeiter einerseits in ihrer Arbeit
zurückgesetzt fühlten und sie andererseits befürchteten, die in den tarifverträgen
festgeschriebenen Arbeitsbedingungen könnten sich massiv verschlechtern. So
nachvollziehbar diese Befürchtungen erscheinen, zeigt sich doch, dass die Arbeit der
Nationalbibliothek durch Demotivation des Stammpersonals, aber auch durch einen
Mangel an bibliothekarischer Ausbildung über lange Zeit sehr ineffizient war, was wie
der häufige personelle Wechsel in der Führungsspitze der Bibliothek in nicht
unbedeutender Weise zu der entstehung der aktuellen Schwierigkeiten der Bibliothek
beigetragen hat. einen vorläufigen höhepunkt in dieser entwicklung stellte ende
2006 der Rücktritt des ehemaligen Vizedirektors horacio tacrus dar, der zu einer
heftigen öffentlichen Debatte über die schwierige Situation der Nationalbibliothek
geführt hat. Vgl. dazu u.a. http://www.clarin.com/diario/2006/12/30/sociedad
/s-01336629.htm [06.08.2007];
http://www.lanacion.com.ar/Archivo/nota.asp?nota_id=871516 [06.08.2007].