Themen Bibliotheken
0 Bibliotheksdienst 40. Jg. (2006), H. 1
den Forschungsgegenstand, die Grenzen zwischen Bibliothek und Forschungsin-
stitution verwischen. So wäre es möglich, dass geisteswissenschaftliche Bereiche
der Bibliothek auch Plattform für Publikationen bieten können, dort hätten viel-
leicht unbekannte Autoren ihren Platz, bis hin zur Idee, dass Bibliotheken auch
Verlagsfunktionen übernehmen könnten. In jedem Fall sind Aktivitäten wie die
angekündigten Portale – vascoda wie der Zugang zu den digitalen Drucken – sehr
zu begrüßen und fortzuschreiben.
Der Abend des zweiten Tages war einem anderen Zugang zum Sammeln gewid-
met: Volkhard Knigge (Stiftungsdirektor der Gedenkstätte Buchenwald) erläuterte
in einem kurzen Rückblick die Geschichte des Konzentrationslagers und des
späteren lagers der DDR wie der Anfangsgeschichte der Gedenkstätte. Beein-
druckend war, über die enge Verbundenheit mit Weimar zu hören: Zum Beispiel
kamen nicht nur die Gefangenentransporte am Bahnhof der Stadt an (erst 1943
mussten die Häftlinge für das lager und den angeschlossenen Rüstungsbetrieb
einen eigenen Bahnanschluss errichten), auch die Verbrennungen der leichen
geschah bis 1940 im städtischen Krematorium (bis der lagerleitung die Gebüh-
ren zu hoch wurden…), Todesnachrichten wurden vom örtlichen Standesamt
verschickt. Der Schwerpunkt des Vortrages lag dann auf dem neuen Konzept
für die Ausstellungen der Gedenkstätte, die der Referent als „zeithistorisch-ar-
chäologische Sammlung“ bezeichnete. Auf dem lagergelände werden zur Zeit
systematisch die Müll- und Abräumhalden durchsucht und die Fundstücke in
einen Zusammenhang mit der Geschichte der beteiligten Personen wie des la-
gers gestellt. Bisherige eindrucksvolle Ergebnisse sind zu betrachten auf der
Web-Seite www.buchenwald.de ? Forschung ? Fundstücke: ein Bildkatalog.
Handlungsrichtlinie ist nicht Rache, sondern die Bewahrung der Erinnerung, um
die Schuld nicht dem Vergessen anheim fallen zu lassen. leider ist durch die un-
mittelbare Nachkriegsgeschichte – Buchenwald als lager für Gefangene der DDR-
Herrschaft und späteres Nationaldenkmal mit ideologischer Ausrichtung – vieles
verloren gegangen. Heute beschäftigt man sich in der Gedenkstättenarbeit glei-
chermaßen mit Tätern und Opfern, sucht Beweise für das grausame Geschehen,
und man fragt sich nicht zuletzt bei jedem Fundstück, wie es zu behandeln sei:
Sollte man einen Schrumpfkopf als Nachlass der medizinischen Experimente
ausstellen oder bestatten? – Für den Freitagvormittag war eine Führung durch
das Gelände des KZs Buchenwald eingeplant. Nicht nur der Wettereinbruch mit
Schnee und pfeifendem Wind ergänzte den aufwühlenden Vortrag eindrucksvoll.