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Ziele der Ausstellung ,,Im Weinberg des Herrn. Traditionen der Hebraistik
in Wittenberg" und erste Resultate
Ziel der virtuellen Ausstellung (www.hebraistik.de) war es, eine erste allgemei-
ne Beschreibung der Entstehung und Entwicklung der Hebraistik an der Uni-
versität Wittenberg von ihrer Gründung (1502) bis zu ihrer Schließung (1817)
so zu präsentieren, dass sie nicht nur für Fachleute, sondern auch für ein brei-
teres Publikum von Interesse ist. Dafür wurde vor allem ikonographisches Ma-
terial verwendet und chronologisch angeordnet. Ursprünglich war geplant,
sowohl Professoren als auch Studenten und Drucker vorzustellen. Doch die
Organisatoren fanden sich bald mit einer ungeahnten Menge von For-
schungsmaterial konfrontiert, dessen Auswertung die Grenzen einer Ausstel-
lung überschritten hätten. Deshalb sind nur ein Teil der Drucker und die Pro-
fessoren vorgestellt und gewürdigt, die besondere Beiträge zur Entwicklung
der hebräischen Studien geleistet haben. Letztendlich wird ein Gesamtbild der
Hebraistik in Wittenberg, ihrer Entstehung und Entwicklung, präsentiert, das
zu folgenden neuen Erkenntnissen führte: Die Hebraistik, die auch in Witten-
berg aus dem Geist des Humanismus entstanden war und von der Reformati-
on als exegetisches Hilfsmittel gefördert wurde, löste sich sehr schnell von
der Vormundschaft der Theologie, erweiterte allmählich ihr Forschungsinte-
resse und dehnte es auf die Rabbinica und die Semitistik aus. Das führte zu
einem langjährigen Zwist zwischen der Philosophischen und Theologischen
Fakultät hinsichtlich der Kontrolle des Lehrstuhls für Hebraistik, wie die jüngst
erschienene Arbeit von Heinz Kathe gut dokumentiert (Die Wittenberger philo-
sophische Fakultät 15021817, Mitteldeutsche Forschungen 117, Köln-
Weimar-Wien: Böhlau Verlag, 2002).
Desiderata
Die Ausstellung hat umfangreiches Material ans Licht gebracht, das nur zum
Teil verwendet werden konnte. Die bis jetzt gewonnenen Erkenntnisse sind
daher nicht mehr als eine Grundlage für weitere Forschungen, die insbeson-
dere drei Aspekte untersuchen müssen: 1) den Einfluss anderer Universitäten
bzw. Gelehrter, die mit den Wittenberger Dozenten in Kontakt standen oder
deren Werke wie z. B. hebräische Grammatiken kannten und für den Un-
terricht benutzten; 2) die eventuellen originalen Beiträge der Wittenberger
Hebraisten; 3) die Resonanz und Aufnahme der wissenschaftlichen Leistung
der Wittenberger Hebraisten an anderen Universitäten in Deutschland sowie
im Ausland. Da die Hebraistik in Wittenberg nie ein isoliertes Phänomen ge-
wesen ist, soll der europäische Kontext berücksichtigt werden. Das wird zum
einen anhand von Archivmaterial, zum anderen mithilfe der Gelehrtenliteratur
möglich sein, in der zahlreiche Hinweise enthalten sind, dass ein enger Kon-
takt der Hebraistik in Wittenberg zu anderen europäischen Hochschulen be-
BIBLIOTHEKSDIENST 38. Jg. (2004), H. 3 317