THEMEN Politik
immer ansprechbar und hilfsbereit (sie bot auch allerdings unbezahlte
Praktika an). Als in der Diskussion eine Metasuchfunktion über alle Datenban-
ken zum Thema Lost Art angesprochen wurde (das Pilotprojekt der Koordinie-
rungsstelle ist erfolgreich abgeschlossen), zog sich Anne Webber jedoch zu-
rück (die Datenbankstrukturen seien zu unterschiedlich) und beteuerte, man
würde alle Informationen bekommen, wenn man sich nur an sie wendete.
Bevor Jürgen Lillteicher am Ende des ersten Tages das Konzept des im Bau
befindlichen Denkmals für die ermordeten Juden in Europa vorstellte,13 an das
sich das Angebot anschloss, die Baustelle (geführt durch Günter Schlusche)
zu besichtigen, berichtete der Rechtsanwalt Peter Raue über seine Erfahrun-
gen bei zahlreichen und zum Teil spektakulären Restitutionen. Er bedauerte:
Er habe auch keinen Standpunkt in der Restitutionsfrage, die zum Rezept
taugen könnte, denn wenn es Rezepte gäbe, dann benötigen wir keine Ta-
gungen mehr! Der damalige ,,Besitzwechsel" geschah stets gegen den Willen
der Betroffenen, aber durchaus auf unterschiedliche Weise: Enteignung betra-
fen alle, ,,freiwillige" Verkäufe zur Finanzierung von Emigration und/oder
,,Reichsfluchtsteuer" betrafen weniger Menschen. Gelderlöse aus Zwangsver-
steigerungen waren zum Teil den ehemaligen Eigentümern überlassen wor-
den, andere wiederum bekamen nichts. Im Rahmen der Aktion ,,Entartete
Kunst" mussten Museen Werke verkaufen, wie sei damit umzugehen? Wieder
anders sei die Lage bei den nach dem Krieg von den Alliierten gestohlenen
Kunstgegenständen, die möglicherweise im Ausland weiter verkauft, verstei-
gert oder sonst wie den Besitzer gewechselt hatten. Also: Die Lage ist kom-
pliziert, die Antworten dementsprechend ebenso. Dazu refererierte RA Raue
einige Beispiele, bestätigte aber auf Nachfrage, dass er sich nicht um Bücher
kümmere. Zum Schluss warf er die Frage der Verhältnismäßigkeit auf: Mord
verjähre nach 30 Jahren, NS-Raub nie? Sein Bestreben ist es, dass wenigs-
tens in den europäischen Ländern eine juristische Gleichbehandlung von Res-
titutionsansprüchen erreicht werden kann. Denn noch ist auch die Frage nicht
geklärt, nach welchem Recht die Rückgabeprozesse behandelt werden soll-
ten, wenn sich die Kunstgegenstände in Ländern mit unterschiedlichen Vor-
schriften befinden noch kommt deutsches, Schweizer, US-amerikanisches
Recht zu keinen einheitlichen Bewertungen.
13 www.stiftung-denkmal.de, www.denkmal-für-die-ermordeten-Juden-europas.org
1484 BIBLIOTHEKSDIENST 38. Jg. (2004), H. 11