Politik THEMEN
lassen (dürfen), bis über alle in den dreißiger Jahren erworbenen Bestands-
schichten Klarheit bestehe.
Michael Knoche, dem Direktor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek (HAAB),
war noch der Schock der letzten Wochen anzumerken. Seine Bibliothek hat
sich als Forschungseinrichtung auf methodische Aspekte der Provenienzfor-
schung spezialisiert. Zurzeit laufen verschiedene Restitutionsprojekte, die
Enteignungen aus adligem und fürstlichem Bereich nach dem Krieg betreffen.
Man befasst sich aber auch mit Hinweisen auf die Jahre 19331945, insbe-
sondere auf Enteignungen von sozialdemokratischen Arbeitervereinen. In ei-
ner persönlichen Bemerkung fügte M. Knoche an, dass ihm die Konzentration
auf das Thema der Tagung nicht leicht fiele, angesichts der großen Menge
verlorener oder beschädigter Bücher in Weimar. Besonders getroffen hat es
die Literatur, die nicht dem Mainstream unterliegt diese geht nicht durch ei-
nen Bibliotheksbrand verloren. Es sind vielmehr die Unikate, die jede Biblio-
thek verwahrt, die Neben- oder Umwege abseits der kulturellen Schwerpunk-
te, deren Verlust unwiederbringlich ist. Je älter die Büchersammlung ist, desto
einzigartiger ist der Bestand und umso unersetzlicher und schmerzlicher der
Verlust.
Gleich im Anschluss und zu Beginn seines Grußwortes bot Claus Michaletz
Vorsitzender der Secco Pontanova-Stiftung unter dem Beifall der Teilnehmer
Hilfe für die HAAB an. Diese Stiftung zur Förderung des Dialogs in Wissen-
schaft und Kultur wurde vor sechs Jahren gegründet und hat ihren Sitz in Ber-
lin, als ,,Untermieter" in der ZLB. Die Stiftung befasst sich schwerpunktmäßig
mit Russland und Osteuropa, wo sie Rechtsinformationszentren (etwa in Mos-
kau) unterhält und sich um die Themen Beutekunst in völkerrechtlicher und
juristischer Hinsicht kümmert. Die regelmäßig stattfindenden Konferenzen
werden dokumentiert.5 Ziel ist die Erhaltung der eigenen und der geraubten
Bestände in osteuropäischen Bibliotheken, evtl. auch durch Digitalisierung.
Auf diesem Gebiet ist man an vielen Projekten, etwa in Moskau, St. Peters-
burg, Kaliningrad, Warschau und Breslau beteiligt, auch wenn man nicht ab-
schätzen kann, ob und wann etwas zurück gegeben werden wird. Die Samm-
lung Friedlaender zum Beispiel, die sich zum Teil in Lodz befindet, ist in einem
sehr schlechten Zustand und wäre gar nicht transportierbar. Die Secco Pon-
5 Gerade erschienen: Kulturgüter Möglichkeiten und Perspektiven einer gesamteu-
ropäischen Zusammenarbeit. Materialien der internationalen Konferenz Kulturelle
Zusammenarbeit in Europa: Fragen der Erhaltung und des Schutzes von Kulturgü-
tern, St. Petersburg, 12. Mai 2003. Hrsg. Ministerium f. Kultur d. Russ. Föderation,
Staatl. Bibliothek für Ausländische Literatur Rudomino, Moskau, und Secco-
Pontanova-Stiftung ... Berlin: BWV Berliner Wissenschafts-Verlag, 2004.
BIBLIOTHEKSDIENST 38. Jg. (2004), H. 11 1477