Recht THEMEN
den Mitgliedsstaaten als Ausnahme freistellte, wenn damit kein mittelbarer
oder unmittelbarer wirtschaftliche Zweck verfolgt wird. Um den Befürchtun-
gen der Verlegerseite Rechnung zu tragen, wurde ein Kompromiss gefunden.
Der Deutsche Bundestag, initiiert von dem Abgeordneten Tauss, schrieb
erstmalig eine Befristung in das Urheberrechtsgesetz: § 52 a UrhG gilt bis
zum 31.12.2006. Bis dahin soll festgestellt werden, welche Auswirkungen er
tatsächlich hat.
Gesetzliche Lizenzen, d.h. Ausnahmetatbestände sind nur dann zulässig,
wenn sie sich auf einzelne definierte Sonderfälle, wie sie der Unterricht und
die wissenschaftliche Forschung darstellen, beschränken. Darüber hinaus darf
die Anwendung nicht zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der be-
rechtigten Interessen der Rechtsinhaber führen, welche zum Beispiel bei ei-
nem völlig veränderten Kaufverhalten vorliegen könnte.6 Die Anwendung von
Ausnahmen muss auch immer geboten sein. Geboten sein bedeutet, dass
das gewünschte Ergebnis nicht problemlos und zumutbar z.B. durch Kauf
oder Leihe des Werkes erreicht werden kann.7 Der Begriff zumutbar umfasst
zwar nicht explizit den Preis, aber die Lizenzgebühr darf dennoch nicht unver-
hältnismäßig über den Gesamtkosten der Selbstherstellung liegen. Auch ist es
unzumutbar, wenn z.B. eine Lizenz für ein Jahreabonnement abgeschlossen
werden muss, um nur einen Beitrag daraus zugänglich zu machen. Es geht
also bei der vorliegenden Charta darum, den Bibliotheken einen Verhaltens-
kodex an die Hand zu geben, der geeignet ist, die Grundsätze und Vorausset-
zungen für eine gesetzliche Ausnahme zu erhalten.
Daraus ergeben sich die drei zentralen Aussagen in der Charta:
1. Das Erwerbungsverhalten nicht aufgrund des § 52 a UrhG zu verändern.
2. Literatur, die vor Ort vorhanden ist, zu verwenden und
3. soweit die benötigte Literatur vom Rechtsinhaber elektronisch problemlos
und zumutbar zur Verfügung gestellt werden kann, einen Lizenzvertrag ab-
zuschließen.
Des weiteren befinden sich in der Charta Begriffsbestimmungen, da die Be-
gründung zu § 52 a UrhG dazu nur wenige Aussagen macht:
1. Unterricht ist nicht nur der Schulunterricht, sondern auch die Vorlesung,
das Seminar, ein Kurs.
6 Art. 9 Revidierte Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und
Kunst (sog. Dreistufentest) und Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie zur Harmonisierung be-
stimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der In-
formationsgesellschaft.
7 Schricker: Urheberrecht. Kommentar. 2. Aufl. München. 1999: Rd Nr. 24 zu § 53
BIBLIOTHEKSDIENST 37. Jg. (2003), H. 12 1611