THEMEN Altes Buch
derländische Bucheinbände des 18. Jahrhunderts, mit dem die wissenschaftli-
che Tagung eingeleitet wurde. Zahlreiche Dias stellten die prächtigen Präsen-
tations- und Widmungsbände vor, die eine Spezialität der Niederlande sind.
Es sind etwa 200 Buchbinder-Werkstätten in 40 Orten identifiziert. Die wich-
tigste Stadt für die Herstellung von Einbänden war Amsterdam. Die reichen
Handelsherren wollten mit ihren Büchern repräsentieren und scheuten keine
Kosten für eine überaus teure und aufwendige Ausstattung (Beschläge, Sil-
bereinbände, koloriertes Pergament, durchbrochenes Maroquinleder, Gobe-
linstickerei). Besonders beliebt waren die Einbände aus ,,Haifischleder", in
Wahrheit wohl präparierte Eselshaut. Häufig kommt das sogenannte ,,Fore-
edge painting" vor, auf dem europäischen Festland sonst eher selten. Unter
dieser ursprünglich aus England stammenden Technik versteht man die Be-
malung des verschobenen Buchschnitts. Nur wenn das Buch aufgeschlagen
ist, ist das Bild erkennbar.
Anschließend sprach Dr. Gerhard Mühlinghaus (Frankfurt/Main) über ein The-
ma, das den meisten Anwesenden völlig neu gewesen sein dürfte. Es handelt
sich dabei um ,,Bucheinbände" im weitesten Sinn: Torahmäntel (Me'il), Hüllen
für die Torahrollen. Das Buch der Weisung (Sefer torah), umfassend die 5 Bü-
cher Mose, liegt seit der Antike in gleicher Form vor und entspricht dem
offiziellen Exemplar der Jerusalemer Tempelbibliothek. Der Text an sich ist
selbstverständlich heilig; das gilt aber auch für die materielle Gestalt des
Gotteswortes. Beschädigte oder unbrauchbar gewordenen Torahrollen werden
daher nicht weggeworfen, sondern feierlich bestattet. Das Material für die
Herstellung von Torahrollen unterliegt strengen Richtlinien. Nur Pergament
aus der Haut von Hausvieh oder rituell reinen Wildtieren wird verwendet. An-
fang und Ende des Pergamentstreifens werden um einen Stab genäht, unten
werden runde Scheiben angebracht. Die Rolle wird mit einer Hülle (Me'il) ver-
sehen, auch Torahmantel genannt. Eine silberne Torah-Krone (Keter torah)
bildet den oberen Abschluss. Durch die Pogrome der Vergangenheit, zuletzt
den Holocaust, wurden die synagogalen Textilien weitgehend zerstört. Einige
Dias von historischen Torahmänteln konnten jedoch die theoretischen Ausfüh-
rungen verdeutlichen. Der Vortrag war ein schönes Beispiel dafür, wie auch
eine komplexe und fremde Materie adäquat vermittelt werden kann.
Danach hatten die beiden veranstaltenden Vereinigungen Gelegenheit, sich
und ihre Ziele dem Gremium vorzustellen. Dr. André J. Geurts (Almere) gab
einen Überblick über die Belgisch-Nederlands Bandengenootschap. Sie wurde
1984 in Nijmegen gegründet. Ihre Mitglieder sind Personen verschiedener
Hintergründe und Profession, die sich mit dem Bucheinband beschäftigen. Die
Forschungsarbeit ist, wie schon der Name sagt, grenzüberschreitend. Das
Sekretariat befindet sich in der Koninklijke Bibliotheek Den Haag. Ziele sind:
die Förderung der Kenntnisse über den Bucheinband durch Tagungen und
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