THEMEN Recht
liothek gelangen soll? Beim Eigentumsübergang kann zwar nicht die Einigung,
wohl aber die Übergabe ersetzt werden. An die Stelle der Verschaffung unmit-
telbaren Besitzes, der Übergabe, kann die Verschaffung mittelbaren Besitzes
treten. § 930 BGB regelt den Fall des sog. Besitzkonstituts, der Besitzmittlung:
,,Ist der Eigentümer [hier: S] im Besitze der Sache [hier: der Sammlung], so
kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, dass zwischen ihm [hier: S] und
dem Erwerber [hier: B] ein Rechtsverhältnis vereinbart wird, vermöge dessen
der Erwerber [hier: B] den mittelbaren Besitz erlangt." Und § 868 BGB sagt,
was unter Rechtsverhältnis zu verstehen ist: ,,Besitzt jemand eine Sache als
Nießbraucher, Pfandgläubiger, Pächter, Mieter, Verwahrer [hier: S] oder in ei-
nem ähnlichen Verhältnisse, vermöge dessen er einem anderen [hier: B] ge-
genüber auf Zeit zum Besitze berechtigt oder verpflichtet ist, so ist auch der
andere [hier: B] Besitzer (mittelbarer Besitzer)." Vermöge eines Verwahrungs-
vertrages (§§ 688 ff. BGB) über die Sammlung erlangt die Bibliothek ,,vergeis-
tigten" Besitz an der Sammlung, und dessen Einräumung genügt, die Überga-
be als Voraussetzung für den Eigentumsübergang zu ersetzen. Damit ist die
Schenkung bewirkt bzw. vollzogen. Keine Formerfordernisse stehen entge-
gen.
Das Ergebnis lautet: Der Erbe muss die Sammlung der Bibliothek herausge-
ben, da diese Eigentümerin der Sammlung geworden ist und der Schen-
ker/Erblasser diese nur aufgrund eines Verwahrungsvertrages in Besitz hatte.
Dieses Ergebnis mag dem Grundsatz der Kundmachung der Eigentumsüber-
tragung einerseits und der Streitvermeidung bei Erbfällen andererseits auf den
ersten Blick widersprechen, aber es ist vom Gesetz so gewollt und das mit
gutem Grund: §§ 930, 868 BGB ermöglichen z.B. das für den Wirtschaftsver-
kehr unentbehrliche Rechtsinstitut der Sicherungsübereignung. Der Kredit-
nehmer überträgt zwar zur Sicherung das Eigentum an der Sache (z.B. an ei-
nem LKW) an den Kreditgeber (z.B. an die Bank), kann aber mit dem
Wirtschaftsgut weiterhin arbeiten und Geld verdienen. Für den Vollzug der
Schenkung muss das Besitzmittlungsverhältnis nach §§ 930, 868 BGB aus-
reichen. Der Fall liegt im Ergebnis nicht anders, als wenn der S die Sammlung
der Bibliothek zwar zunächst tatsächlich übergeben hätte, sie ihm dann aber
wieder zurückgegeben worden wäre, weil er sich an ihr bis zu seinem Tode
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erfreuen möchte. Während die rechtliche Konstruktion schon schwierig ge-
nug ist, so liegen die praktischen Probleme des Falles eher in der Beweisbar-
keit des Eigentumsüberganges. Hier muss aus dem Vertragstext klar ersicht-
lich sein, an welchen Stücken genau Eigentum übergehen soll, um Streit zu
9 Nur dass dann statt eines Verwahrungsvertrages wohl ein Leihvertrag geschlossen
worden wäre.
760 BIBLIOTHEKSDIENST 36. Jg. (2002), H. 6