Bibliotheken THEMEN
schaftlicher Literatur zu reagieren. Die Konzentrations- und Monopolisierungs-
tendenzen bei den Wissenschaftsverlagen sind ein weiterer Verursacher der
Zeitschriftenkrise. Die auf einzelne Verlagsgruppen entfallenden Abonne-
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mentkosten haben sich in den letzten Jahren beinahe verdreifacht." Investi-
tionen in die elektronische Publikationsform zahlen sich verlagsseitig nur be-
dingt aus, da die Bibliotheken einen umfassenden Verzicht auf Printausgaben
nur sehr zurückhaltend akzeptieren, da sie ihre Archivierungskompetenz nicht
an die Verlage abgeben, bzw. sich im Interesse des freien Zugangs ihrer
Kundschaft zu Informationen nicht von ihnen abhängig machen wollen. Die
Erwartung, dass die elektronischen Zeitschriften zu einer Kostenentlastung
führen werden, hat sich bislang nicht bestätigt. Die Kommerzialisierung elekt-
ronischer Replikate hat die Finanzkrise im Zeitschriftensektor nicht gelöst, und
weder der parallele noch der alternative Bezug von elektronischen Versionen
führt zu nennenswerten Preisreduktionen. Die Folge ist, dass in den wissen-
schaftlichen Bibliotheken empfindliche Lücken in der Literaturversorgung ent-
standen sind.
Gefordert wird eine stärkere Einbeziehung der herausgebenden Fachgesell-
schaften in den Produktionsprozess. 40% der Zeitschriften mit einer Auflage
unter 1000 Exemplaren werden von Fachgesellschaften herausgegeben. Wür-
den die Fachgesellschaften nun ihre Publikationen auf eigenen Servern
verwalten, so könnte den Konzentrationstendenzen wissenschaftlicher Verla-
ge wenigstens teilweise Einhalt geboten werden. Eine Privatinitiative des Phy-
sikers Paul Ginsparg an den Los Alamos National Laboratories, Preprints auf
einem Server anderen Wissenschaftlern zur Kenntnis zu geben, wird seit
1994 finanziell von der American Physical Society unterstützt. Mit 200 neuen
Beiträgen pro Monat und über 120000 Zugriffen pro Tag ist sie eine unver-
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zichtbare zentrale Datenbank der Physik.
Dennoch muss die optimistische Sichtweise Rafael Balls, der den Bibliotheken
im Publikationsprozess elektronischer Medien eine aktive und tragende Rolle
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einräumt hinsichtlich der Zeitschriftenpublikationen mit Skepsis betrachtet
werden. Hier ist die Orientierung der Wissenschaftler am Impact-Faktor re-
nommierter wissenschaftlicher Zeitschriften und ihr Interesse an einem dauer-
haften Nachweis ihrer wissenschaftlichen Leistungen zu dominant, um auch
bei kostengünstigeren Alternativen einer Veröffentlichung auf dem eigenen
Hochschulserver positiv gegenüberzustehen. Wissenschaftler werden auch in
21 Bilo, Albert: "Anpassung oder Strukturwandel. Elektronische Publikationen und digi-
tale Bibliotheken aus der Sicht bibliothekarischer Praxis", in: Tröger, S. 128
22 http://de.arXiv.org/ E-Print Archive
23 Ball, a.a.O., S. 31
BIBLIOTHEKSDIENST 35. Jg. (2001), H. 9 1043