Recht THEMEN
II. Alternative Lösungen
Nachstehend sei kurz erörtert, welche Folgen sich ergeben würden, wenn
man zu dem Ergebnis kommt, dass die Willenserklärung des Verlags nicht
auch das ,,Supplement" erfasst.
Es wäre dann zu entscheiden, wie das Angebot der Bibliothek auszulegen ist.
Es dürfte davon auszugehen sein, dass die Bibliothek bei ihrer Bestellung
nicht nur den vom Verlag als ,,Hauptlieferung" bestimmten Teil der Titel erwer-
ben wollte, sondern alle im Prospekt aufgeführten Titel. Freilich ist fraglich, ob
dieser Wille auch ihrem Vertragspartner, dem Verlag, erkennbar geworden ist.
Denkbar sind zwei Möglichkeiten: Entweder ist die Willenserklärung der Biblio-
thek so zu verstehen, dass sie nur eine einheitliche Sammlung erwerben woll-
te, also inklusive der im ,,Supplement" angebotenen Werke aus dem Prospekt
(siehe unten 1.). Oder die Willenserklärung ist so zu verstehen, dass nur die
,,Hauptlieferung", nicht aber das später aufgelegte ,,Supplement" erfasst sein
sollte (siehe unten 2.).
1. Versteckter Dissens
Im ersten Fall handelt es sich um einen versteckten Dissens im Sinne des §
155 BGB. Ein versteckter Dissens liegt vor, wenn sich die Parteien unbemerkt
nicht über den Vertragsinhalt geeinigt haben. Nach Vorstellung des Verlags
sollte nur ein Umfang von y Seiten geschuldet sein. Nach Vorstellung der Bib-
liothek sollte eine umfassende Sammlung der Titel laut Prospekt geliefert wer-
den.
Rechtsfolge eines versteckten Dissenses ist gemäß § 155 BGB, dass der Ver-
trag nicht zustande gekommen ist, es sei denn, dass die Parteien den Vertrag
auch ohne Einigung über den offenen Punkt geschlossen hätten. Von einer
solchen Einigung kann hier nicht ausgegangen werden. Somit käme es zu ei-
ner Rückabwicklung des Vertrages nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB):
Der Verlag hätte den Kaufpreis (mit Zinsen) zurückzuzahlen, die Bibliothek die
bereits gelieferten Teile der Sammlung an den Verlag zurückzusenden.
2. Anfechtungsrecht der Bibliothek
Im zweiten Fall ist ein Vertrag nur über die ,,Hauptlieferung", nicht aber über
das ,,Supplement" zustande gekommen. Es bleibt dann zu prüfen, ob der Bib-
liothek ein Anfechtungsrecht nach § 142 Abs. 1 BGB zusteht. Voraussetzung
hierfür ist ein Anfechtungsgrund. Die Bibliothek befand sich im Irrtum darüber,
dass die im Prospekt aufgeführten Titel nicht als Kaufware festgelegt sind. Ih-
re Vorstellung widersprach ihrer Erklärung. Es handelt sich insoweit um einen
BIBLIOTHEKSDIENST 35. Jg. (2001), H. 7/8 887