Recht _______________________________ THEMEN
werden können.9' Nunmehr spricht der BGH einer Text-CD-ROM den Charak-
ter eines Verlagserzeugnisses im Sinne des Kartellrechts zu.
Bereits in der erwähnten Schallplatten-Entscheidung war festgestellt worden,
daß der Begriff des Verlages im Sprachgebrauch, der etwa auch den Musik-
verlag einschließt, für die Auslegung der Preisbindung unerheblich sein müs-
se. Vielmehr sei auf die der Norm zugrundeliegende kulturpolitische Zielset-
zung abzustellen. Zweck der Ausnahmeregelung sei die Gewährleistung einer
weitgehenden vielfältigen, gleichmäßigen und flächendeckenden Versorgung
der Bevölkerung mit dem Kulturgut Buch.
Bedeutsam ist die Feststellung, daß der Begriff des Verlagserzeugnisses in
§ 16 GWB gleichwohl nicht auf Papiererzeugnisse beschränkt ist. Obwohl die
Norm als Ausnahmeregelung grundsätzlich einschränkend auszulegen ist,
rechtfertigt die gesetzliche Zielsetzung eine Erweiterung ihres Anwendungsbe-
reiches auf neuartige Produkte, wenn sie herkömmliche Bucherzeugnisse
substituieren. Der Art und Weise der Herstellung kommt demnach keine Be-
deutung für die Reichweite des Begriffes Verlagserzeugnis zu. Der Begriff ist
vielmehr für neue technische Entwicklungen offen, die der Gesetzgeber nicht
berücksichtigen konnte. Daher ist auch unerheblich, daß eine CD-ROM (wie
schon die preisbindungsfähigen Microfiches) nur mit technischen Mitteln
lesbar ist.
Eine reine Text-CD-ROM, wie der in Streit stehende Jahrgang einer juristi-
schen Fachzeitschrift, ist ein solches Substitutionsprodukt. Es ist geeignet,
die auf ein herkömmliches Druckerzeugnis gerichtete Nachfrage ganz oder
teilweise zu befriedigen. Auch sie enthält im wesentlichen Lesestoff. Druck-
ausgabe und CD-ROM dienen der Informationsvermittlung, auch wenn sie
nicht am Stück gelesen werden. Dies ist bei Nachschlagewerken schließlich
ebenfalls nicht der Fall. Daß viele Kunden die gedruckte Zeitschrift neben der
CD-ROM weiterbeziehen, ist für die Austauschbarkeit ohne Belang, da die
grundsätzliche Substituierbarkeit nicht beeinträchtigt ist.
Auch die zusätzlichen Recherchemöglichkeiten ändern hieran nichts. Die
Suchfunktionen einer CD-ROM entsprechen im Grundsatz denen eines her-
kömmlichen Registers, mögen sie auch komfortabler und schneller sein. Und
Exportmöglichkeiten haben dieselbe Funktion wie eine Fotokopie. Gleiches
gilt für die Tatsache, daß eine CD-ROM theoretisch auch multimediale Funkti-
on erfüllen kann. Die vorliegende Entscheidung beschränkt sich nur auf eine
reine Textvariante. Ob eine CD-ROM preisbindungsfähig ist, die Multimedia-
Anwendungen ermöglicht, wird ausdrücklich offen gelassen.
Weitere Argumente gegen eine Preisbindung werden kürzer angesprochen.
Hinsichtlich des Vertriebs über den Buchhandel sei zu beachten, daß sich der
Verkauf oft danach richtet, ob das Produkt bereits preisgebunden ist. Der
BIBUOTHEKSDIENST 31. Jg. (1997), H. 7 1 4
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