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an die Grenze von Bosnien und Hercegovina, sondern direkt nach Sarajevo
selbst bringen wollte. Außer uns fuhren noch weitere fünf ,,Dienstreisende"
mit. Auf dem ,,Autoput" war die Fahrt zügig und problemlos. Bei Zupanja ging
es zur Sava, die mit einem Floß überquert werden mußte, das von einem
Schleppkahn geschoben wurde. Zuvor mußte man noch quer über ein ehe-
maliges Feld, jetzt eine ,,Straße", an Lastwagen vorbei sich zum Fluß
,,durchkämpfen". Dahinter lag die Grenze zu Bosnien und Hercegovina, dahin-
ter der etwa 15 km breite serbische Korridor, den der kroatische Fahrer dieser
,,internationalen Reisegesellschaft" am meisten zu fürchten schien. Ein- und
Ausfahrt des Korridors erinnerten an den früheren Checkpoint Charly in Berlin,
bewacht allerdings von SFOR-Truppen. Nach dessen Durchquerung stillten
wir erst einmal unseren Hunger und Durst in einem der noch wenigen offenen
Straßenlokale. Nach Überschreitung des Ivan-Gebirges bekamen wir trotz
nächtlicher Dunkelheit einen ersten Eindruck, welche Zerstörungen der Krieg
in Bosnien angerichtet hat.
Als wir tief in der Nacht im stockdunklen Sarajevo bei dem durch Granatsplit-
ter stark beschädigten Gewerkschaftshaus anlangten - zur Einsparung wer-
den nachts Strom und Wasser abgeschaltet -, zeigte es sich, wie wertvoll
sowohl die Orts- und Sprachkenntnisse des Übersetzers der DB Stuttgart als
auch die Hilfe der dortigen Stadtgewerkschaft waren. (Die Stadtgewerkschaft
spielt nach wie vor eine tragende Rolle bei der Förderung der kulturellen Ein-
richtungen der Stadt, wird von den Einrichtungen als Partner verstanden und
stellt außerdem ein Bindeglied zwischen Einrichtung und Ministerium dar.) Ab
unserer Ankunft übernahm die Stadtgewerkschaft die Organisation unseres
Aufenthalts, da es in einer vom Krieg stark zerstörten Stadt doch recht
schwierig ist, ein nach den Vorschriften des Reisekostengesetzes bezahlbares
Hotel zu finden, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen oder sogar essen zu
gehen zu vernünftigen Preisen. Außerdem vermittelte der Sekretär der Stadt-
gewerkschaft notwendige Gespräche mit Regierungsvertretern und der Pres-
se, um unser Projekt zu fördern.
Wir übernachteten im Hotel Park in Vogosca, einem Vorort von Sarajevo, wo
früher der ,,Jugo-VW" produziert worden war. Das Hotel war erst vor kurzem
wiederhergestellt und eröffnet worden.
Auch bei der Abreise gab es das gleiche Spiel wie bei der Anreise. Der Flug
nach Zagreb fiel aus, dafür gab es allerdings eine fünfstündige Busfahrt durch
das noch stärker als die Hauptstadt zerstörte Gebiet der Hercegovina. Bei
Metkovic überschritten wir dann die Grenze nach Kroatien und fuhren an der
Adriaküste entlang nach Split, in Kroatien war kaum noch etwas von Zerstö-
rungen zu sehen. Von dort konnten wir schließlich mit der Croatia Airlines
nach Zagreb fliegen. Allerdings erst am nächsten Tag - wobei sich die Flug-
BlBLIOTHEKSDIENST 31. Jg. (1997), H. 4 585