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Portico ist, neben all den Informationen zu den Dienstleistungen der British
Library, auch eine Hauptinformationsquelle zu den anderen Projekten der
Initiativen für den Zugriff auf Information.
1.2 Zugriff auf bibliophile Kostbarkeiten - Der elektronische Beowulf
Das Projekt ,,elektronischer Beowulf" hat bereits einen Preis gewonnen: Die
Mecklermedia / Library Association hat der British Library die Auszeichnung
für Innovation durch Informationstechnologie verliehen. Mit modernster Tech-
nik wurde hier das Manuskript des ältesten Gedichts in einer Landessprache,
nämlich Altenglisch, auf dem Internet allgemein zur Verfügung gestellt.
Es gibt nur ein einziges, erhaltenes Manuskript aus dem 11. Jahrhundert, das
im Jahre 1731 an den Rändern durch Feuer zerstört wurde. Man hat kurz
nach der Beschädigung Transkriptionen angefertigt, die, verglichen mit dem
Manuskript im heutigen, unbearbeiteten Zustand, damals noch sichtbare
Buchstaben aufweisen, besonders an den versengten Außenkanten des Ma-
nuskripts. Im 19. Jahrhundert hatte man versucht, durch Einrahmung dem
steten Verfall des Manuskripts Einhalt zu gebieten. Daß eine solche Kostbar-
keit von Wissenschaftlern aus aller Welt eingesehen werden möchte, ist ver-
ständlich, bringt die BL jedoch in ein Dilemma: Wenn man das Manuskript für
Studienzwecke aus dem Glasbehälter herausholt, besteht ständig Gefahr, daß
es weiteren Schaden nehmen könnte und die Besucher, die extra nach Lon-
don kommen, um sich das Manuskript als Ausstellungstück wenigstens hinter
Glas anzusehen, gehen leer aus. Die Digitalisierung bietet hier eine ideale
Lösung für alle Beteiligten:
Jede Seite des Manuskripts wurde mit sehr hoher Auflösung mit einer Prog-
Res 3012 Kamera unter Weißlicht, Ultraviolett-Licht und mit Faseroptik pho-
tographiert (300 dpi). Man kann jetzt Buchstaben erkennen, die zuvor durch
den Papierrahmen verborgen waren und Worte, die während der Niederschrift
durchgestrichen wurden, können jetzt entziffert werden. Die Auflösung ist so
gut, daß man sogar die Haarstruktur der Tierhaut erkennen kann, auf der
Beowulf geschrieben wurde.
In Zusammenarbeit mit zwei amerikanischen Forschern wird nun ein elektroni-
sches Faksimile produziert. Transkriptionen aus dem 18. Jahrhundert, die in
der königlichen Bibliothek in Kopenhagen gehalten werden, wurden ebenfalls
digitalisiert und stehen den Forschern für den vereinfachten Vergleich zur
Verfügung. Die BL plant, das gesamte Manuskript auf dem Internet bzw. auf
CD-ROM für Abonennten zugänglich zu machen.
Dies ist ein Beispiel für den Bestandserhalt einerseits und den Zugriff durch
den Benutzer andererseits. Andere Projekte, die der BL in ihrer Kurator-Rolle
1038 BlBLIOTHEKSDIENST 30. Jg. (1996), H. 6